ZIRZE 2015

according to Dosso Dossi's Zirze 1520
photography print on dibond, framed, 90cm x 120cm
MARMOR 2015

according to a wall at the Villa Borghese, Rome
wallpaper, glue, varnish, acrylics, Pintasol on wall, 500cm x 400cm
en / de
ZIRZE 2015

Anlehnung an Dosso Dossi's Zirze 1520
Fotografie, Print auf Dibond, gerahmt, 90cm x 120cm
MARMOR 2015

Anlehnung an Wand der Villa Borghese in Rom
Tapete, Leim, Acryllack, Pintasol auf Wand, 500cm x 400cm
en / de
Der Mythos Geschichte


Zirze war vielleicht die erste Verwandlungskünstlerin der Geschichte. Pardon: der Mythologie. Wobei, wo Geschichte anfängt und Mythos aufhört, bzw. umgekehrt, ist ja nicht immer so klar. Gewisse Mythen entpuppen sich mit der Zeit als besonders schön erzählte historische Wahrheiten. Und gewisse unbequeme Wahrheiten werden heute noch gerne mythologisch bequem gemacht. Wie Zirze ist auch Nicole Hoesli eine Verwandlungskünstlerin. Während allerdings die Zirze in Homers Odyssee BesucherInnen ihrer Insel zum Beispiel in Löwen verwandelt, verwandelt Hoesli sich selbst, zum Beispiel in Zirze. Für die Fotoarbeit an der Marmorwand – dazu gleich mehr – eines kleinen Helmhaus-Saals hat die Künstlerin sich als Homersche Gestalt inszeniert, inklusive Löwe, Keiler und Papagei. Das Thema der Ausstellung hat Nicole Hoesli veranlasst, in der Geschichte – oder eben der Mythologie – weiter zurückzuschauen. Bislang hat sie sich mit jüngeren Mythen beschäftigt, etwa jenen der Popwelt der 80er Jahre. In der letztjährigen Ausstellung der Werk- und Atelierstipendien im Helmhaus war Hoesli noch das deutsche Pop-Sternchen Sandra (das sich übrigens in einem von der Künstlerin nachgestellten Interview selber ziemlich entmystifizierte). Jetzt ist sie der griechische Verwandlungsstar Zirze.
Während die Künstlerin im Kontext der Sandra-Interpretation die von ihre beherrschte Malereitechnik der Marmorkopie einsetzen konnte, um eine trashige 80er-Jahre-Kulisse zu evozieren, benutzt sie sie hier, um dem nachgestellten Zirze-Gemälde des Malers Dosso Dossi den passenden Kontext zu verpassen. Das auf 1520 datierte Orginalbild hängt nämlich in der römischen Villa Borghese, einem Bauwerk des 17. Jahrhunderts. Das Nicole Hoesli hier mit den Mitteln der visuellen Fiktion – mit Marmormetaphern und Tapetenrhetorik – ins Helmhaus bringt. 1980 und 1680 sind nicht so verschieden, wie man manchmal denkt. Und die Historie und der Mythos auch nicht.

Ausstellungstext 'Geschichte in Geschichten, Daniel Morgenthaler, Helmhaus, 2015